Der Berliner Dom

Die Geschichte des Berliner Domes

Der Berliner Dom ist durch seine Lage mitten im historischen Zentrum und durch seine dominierende Baugestalt ein besonders markantes Denkmal der Berliner Baugeschichte.

Mit seiner Errichtung in den Jahren 1893 bis 1905 war nach langen Diskussionen und zahlreichen Entwürfen das Ziel erreicht, die Stadt im Schlossbereich mit einem großen repräsentativen protestantischen Gotteshaus in Verbindung mit einer Grablege und einem Memorial für die über 500 Jahre in Brandenburg–Preußen regierende Familie der Hohenzollern zu krönen.

In der Domkirche kam die enge Verbindung von Herrschaftsform und Religion exemplarisch zum Ausdruck. Dieser Allianz mit einem repräsentativen Bau eine Form zu geben, hat über 200 Jahre (von 1680 bis 1900) Hof und Gesellschaft immer wieder neu herausgefordert. Mit einem großen dominierenden Dombau, technisch und gestalterisch jeweils auf der Höhe der Zeit, wollten sich das Kurfürstentum Brandenburg, dann das Königreich Brandenburg–Preußen und schließlich das Deutsche Kaiserreich unter der Führung Preußens in Berlin eindrucksvoll präsentieren.

Der hierin liegende Anspruch wurde immer wieder erneuert mit herausfordernden Planungen im jeweiligen Stil der Zeit, bis dann der Dom im späten 19. Jahrhundert, als Deutschland vereint und Berlin zur Hauptstadt Deutschlands geworden war, in seiner markanten Gestalt als neubarocker Monumentalbau errichtet wurde. Dies geschah zu einer Zeit, als das in ihm formulierte Herrschermodell und die im Althergebrachten des Historismus verharrende Form zunehmend in Frage gestellt wurden.

Der Dom gilt heute jedoch als Zeugnis für die Leistungskraft von Kunst und Handwerk in der Wilhelminischen Epoche und ist ein anerkannter und lebendiger Glanzpunkt kirchlichen Lebens im Berliner Zentrum.

Nach der 1417 auf dem Konzil in Konstanz erfolgten Belehnung des Hauses Hohenzollern mit der Mark Brandenburg machte Kurfürst Friedrich II. (1413−1471) Berlin zu seiner Hauptstadt, baute auf der Insel Cölln am Ufer der Spree eine Burg als Residenz, die Joachim II. ab 1538 zu einem Renaissanceschloss umgestalten und erweitern ließ. Die Erasmuskapelle im Ostflügel des Schlosses wurde die Andachtsstätte der kurfürstlichen Familie, die dann 1465 zu einem Domstift erhoben wurde.

Kurfürst Joachim II. (1505−1571) verlegte 1536 das mit dem Ausbau der Verwaltung wachsende Domstift in die südlich vom Schloss gelegene mittelalterliche Dominikanerkirche und bestimmte diese zur Domkirche und Grablege (Abb. 1).

Text:
Dr. Peter Goralczyk, Denkmalpfleger
Rüdiger Hoth, Dombaumeister a.D.

Bildrecherche:
Dombaubüro

„Die Königl. Schloß -und Dohmkirche in Berlin, wie solche gegen dem Königl. Schlosse und der neuen Stechbahn sich praesentiret“. Stich von G.P. Busch nach einer Zeichnung von J.F. Walther, um 1735, Deutsche Staatsbibliothek, Berlin

Abb. 1: „Die Königl. Schloß- und Dohmkirche in Berlin, wie solche gegen dem Königl. Schlosse und der neuen Stechbahn sich praesentiret“. Stich von G. P. Busch nach einer Zeichnung von J. F. Walther, um 1735, Deutsche Staatsbibliothek, Berlin

Bald darauf ließ er die Gebeine seines Vaters Joachim I. und seines Großvaters, Joachim Cicero, die sich bis dahin in der Klosterkirche Lehnin befunden hatten, nach Berlin überführen und in der zum Dom bestimmten Dominikanerkirche beisetzen. So gelangte als erste bedeutende Bildhauer- und Bronzegießerarbeit das unter Beteiligung Peter Vischers d. Ä. von Hans Vischer in Nürnberg 1524−1530 hergestellte Bronzegrabmal für Kurfürst Johann Cicero (1455−1499) in den Dom (Abb. 2).

Grabmal für Kurfürst Johann Cicero, Hans Vischer, 1530, Institut für Denkmalpflege Meßbildarchiv

Abb. 2: Grabmal für Kurfürst Johann Cicero, Hans Vischer, 1530, Institut für Denkmalpflege Meßbildarchiv

Als dann im Jahr 1688 der für die Sicherung und Entwicklung des Kurfürstentums Brandenburg so bedeutende „Große Kurfürst“ Friedrich Wilhelm (1620−1688) starb, wurden auch die für ihn und seine bald darauf verstorbene zweite Gemahlin Dorothea von Holstein-Glücksburg (1636−1689) von dem Bildhauer Michael Döbel nach dem Entwurf des Architekten Arnold Nering geschaffenen Sarkophage, die nun schon als barocke Grabmonumente gedacht waren, in der Gruft der Domkirche aufgestellt (Abb. 3 und 4).

Sarg des „Großen Kurfürsten“, Arnold Nehring, Michael Döbel, 1688/1689, Registratur Dombaubüro (Foto: Rüdiger Hoth)

Abb. 3: Sarg des „Großen Kurfürsten“, Arnold Nehring, Michael Döbel, 1688/1689, Registratur Dombaubüro (Foto: Rüdiger Hoth)

Sarg seiner Gemahlin Dorothea von Holstein -Glücksburg, Arnold Nehring, Michael Döbel, 1688 / 1689, Registratur Dombaubüro (Foto: Rüdiger Hoth)

Abb. 4: Sarg seiner Gemahlin Dorothea von Holstein -Glücksburg, Arnold Nehring, Michael Döbel, 1688 / 1689, Registratur Dombaubüro (Foto: Rüdiger Hoth)

Der erste preußische König und brandenburgische Kurfürst Friedrich I. (1657−1713) beauftragte 1699 den Architekten und Bildhauer Andreas Schlüter mit dem Umbau und der Erweiterung des Berliner Schlosses, in dem die gestiegene Bedeutung seiner Herrschaft nach der Übernahme der Königswürde für Preußen zum Ausdruck kommen sollte. Es sollte mit dem Neubau einer Dom- und Hofkirche gekrönt werden, der den Abriss des alten Doms vorsah und in seinen Planungen etwa am Invalidendom in Paris oder der St. Pauls-Kathedrale in London orientiert war. Die Entwürfe schlossen auch immer die Errichtung einer repräsentativen Memorialkirche und einer Grablege mit ein (Abb. 5).

Projekt für die Umgestaltung der Residenz („Place royal de Berlin“). Kupferstich von J. B. Broebes (ehemals Schlüter zugeschrieben), um 1702, Gesamtansicht, Märkisches Museum, Berlin

Abb. 5: Projekt für die Umgestaltung der Residenz („Place royal de Berlin“). Kupferstich von J. B. Broebes (ehemals Schlüter zugeschrieben), um 1702, Gesamtansicht, Märkisches Museum, Berlin

Der große neue Dom wurde nicht gebaut. Die Dominikanerkirche am Schlossplatz blieb Dom und Grablege für die inzwischen zum Königshaus aufgestiegenen Hohenzollern. Andreas Schlüter entwarf 1705 und 1713 die von dem anerkannten Bronzegießer Johann Jacobi realisierten vollständig vergoldeten Grabmonumente für den ersten preußischen König Friedrich I. und seiner Gemahlin Sophie Charlotte. Erst König Friedrich II., der Große (1712−1786), ließ 1747 den inzwischen baufällig gewordenen Dom abtragen und von 1747 bis 1750 durch den Architekten Johann Boumann d. Ä. einen neuen Dom nach dessen und den Plänen Georg Wenzeslaus von Knobelsdorffs am ehemaligen Lustgarten nördlich vom Schloss erbauen (Abb. 6).

Abb. 6: Blick vom Platz am Zeughaus zum Lustgarten mit der Domkirche, Gemälde von C. T. Fechhelm, 1788, Märkisches Museum, Berlin (Foto: Christel Lehmann)

Abb. 6: Blick vom Platz am Zeughaus zum Lustgarten mit der Domkirche, Gemälde von C. T. Fechhelm, 1788, Märkisches Museum, Berlin (Foto: Christel Lehmann)

Den Grundplan der neuen Domkirche bildete eine rechteckige Saalanlage mit Emporen und eine inmitten der westlichen Längsseite errichtete Tambourkuppel. Bereits in diesem Neubau wurden das Grabdenkmal des Kurfürsten Johann Cicero und die vier Prunksarkophage des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, seiner Gemahlin Sophie Dorothea, seines Sohnes König Friedrich I. und dessen Gemahlin Königin Sophie Charlotte im Kirchenraum zur Erinnerung an die Geschichte und Leistungen der Hohenzollern, aber wohl auch wegen ihres besonderen künstlerischen Wertes, aufgestellt. Die weiteren Särge kamen in eine Gruft, die unter dem Dom angelegt wurde.

Mit diesem Neubau neben dem Schloss war bis heute gültige Standort für die Domkirche in Berlin gefunden. Sie lag von nun an am östlichen Ende der breiten Lindenallee, etwas nach Norden versetzt auf der Ostseite des unter Friedrich Wilhelm I. zum Exerzierplatz gemachten Lustgarten, mit der Hauptfassade nach Westen in die neuen Stadtteile hinein gerichtet.

Unter König Friedrich Wilhelm III. (1770−1840) wurde dieser Dom Friedrichs des Großen zwischen 1816 und 1822 durch Karl Friedrich Schinkel im Inneren und Äußeren im Stil des Klassizismus umgebaut. Er erhielt eine mit ionischen Säulen gestaltete Vorhalle und zwei Nebenkuppeln. Diese Umgestaltung wurde jedoch wegen ihrer allzu starken Bindung an die Proportionen der vorhandenen Kirche als keine glückliche Lösung angesehen.

Zwar hatte Karl Friedrich Schinkel nach den siegreich beendeten Befreiungskriegen von 1813 seine Idealvorstellungen von einem Kirchenbau in Plänen für einen phantastisch großen Dombau in einem mittelalterlich gotischen und damit „deutschen“ Stil formuliert. Er sollte Denkmal und Gruftkirche sein, für die Fürsten und für alle diejenigen, die sich durch hervorragende Taten um das Vaterland verdient gemacht hatten (Abb. 7).

Abb. 7: Entwurf für einen Dom als Denkmal für die Befreiungskriege in Berlin, Karl Friedrich Schinkel, 1814/15, Staatliche Museen zu Berlin

Abb. 7: Entwurf für einen Dom als Denkmal für die Befreiungskriege in Berlin, Karl Friedrich Schinkel, 1814/15, Staatliche Museen zu Berlin

Doch war dieser Plan derart utopisch, dass an eine Realisierung nicht zu denken war. Der Anspruch war aber formuliert. Er blieb bei den weiteren Dombauplanungen unterschwellig weiter wirksam. Vor allem als es später darum ging, die Einheit der deutschen Nation in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Erhebung der Hohenzollern in die Kaiserwürde in einem solchen Kirchenbau zu feiern.

Lange vor der Reichsgründung ließ König Friedrich Wilhelm IV. (1795−1861) den Architekten Friedrich August Stüler, den Nachfolger Schinkels als Hofbaumeister, den Plan einer mächtigen fünfschiffigen Basilika nach altchristlicher Formauffassung mit einem Camposanto, einer ebenerdigen kolonnadenumgrenzten Friedhofsanlage, erarbeiten (Abb. 8). Vorbild hierfür war die noch heute bestehende Anlage in Pisa mit Dom und Camposanto. Mit dem Rückgriff auf die „ursprüngliche“ frühchristliche Bauform wollte sich Friedrich Wilhelm IV. von der damals bestimmenden Renaissance oder Barockform der römisch katholischen Kirche abgrenzen. Mit dem Bau der Fundamente für diese neue Domkirche wurde an der Spree hinter dem Schinkeldom begonnen.

Der Maler Peter von Cornelius erhielt den Auftrag zur Schaffung von Entwürfen für Freskogemälde an der Umgrenzung des Camposanto, deren Kartons heute in der Alten Nationalgalerie aufbewahrt werden. Im Revolutionsjahr 1848 mussten die Arbeiten an den östlichen Domfundamenten und den Umfassungswänden des Camposanto eingestellt werden.

Abb. 8: Lageplan Basilikaentwurf, Friedrich August Stüler, 1845, Institut für Denkmalpflege Meßbildarchiv

Abb. 8: Lageplan Basilikaentwurf, Friedrich August Stüler, 1845, Institut für Denkmalpflege Meßbildarchiv

1855 legte Friedrich August Stüler dann einen neuen Entwurf für einen Zentralbau mit dominierender und an romanischen Vorbildern orientierter Kuppel vor. Es war vielleicht der Wunsch, doch wieder zu dem erhabenen überkuppelten Dom zurückzukehren. Zu beiden Planungen befinden sich die Modelle im Dom-Museum (Abb. 9 und 10).

Abb. 9 und 10: Modelle im Dom-Museum, Basilika, Friedrich August Stüler 1843 und Zentralbau, Friedrich August Stüler, 1859, (Fotos: Rüdiger Hoth)

Abb. 9 und 10: Modelle im Dom-Museum, Basilika, Friedrich August Stüler 1843 und Zentralbau, Friedrich August Stüler, 1859, (Fotos: Rüdiger Hoth)

König Wilhelm I., ab 1871 Kaiser Wilhelm I. (1797−1888) ließ im Jahr 1867 für die Errichtung eines würdigen neuen Dombaus einen Wettbewerb ausschreiben. Zu den von 51 Architekten eingereichten 53 Entwürfen entschied die vom König beauftragte Kommission indes, dass keiner für eine Ausführung geeignet sei.

Nach dem Ableben Kaiser Wilhelms I. am 9. März 1888 und dem bald darauf erfolgenden Tod seines bereits sterbenskranken Nachfolgers Kaiser Friedrich III. (1831−1888) wurde unter Kaiser Wilhelm II. (1859−1941), nach weiteren Um- und Neuplanungen, mit einem Domneubau begonnen. Man war nun doch wieder zu den Vorbildern aus Renaissance und Barock zurückgekehrt. Die Würdeform dieser Architektur war nicht zu übertreffen. Der Architekt und Geheime Regierungsrat, Professor Julius Carl Raschdorff hatte schon 1884 einen Bauplan erarbeitet, der nun 1888 mit dem Titel „Ein Entwurf Sr. Majestät des Kaisers Friedrich III. zum Neubau eines Doms und zur Vollendung des Schlosses in Berlin“ veröffentlicht wird. Das dreifach überkuppelte Gebäude war funktionell in eine Gruftkirche, eine Festkirche und eine Predigtkirche gegliedert. Es war weiterhin ein Übergang zum königlichen Schloss, ein hoher Uhrenturm und an der Spreeseite des Schlosses ein großer Festsaal vorgesehen. Ob dieser Entwurf tatsächlich den Intentionen Kaiser Friedrichs III. entsprach, ist bis heute ungeklärt (Abb. 11 und 12).

Abb. 11: „Ein Entwurf Seiner Majestät des Kaisers und Königs Friedrich III. zum Neubau des Domes und Vollendung des kgl. Schlosses“, Plan I, Ansicht von Westen, Julius Carl Raschdorff, 1888, Registratur Dombaubüro

Abb. 11: „Ein Entwurf Seiner Majestät des Kaisers und Königs Friedrich III. zum Neubau des Domes und Vollendung des kgl. Schlosses“, Plan I, Ansicht von Westen, Julius Carl Raschdorff, 1888, Registratur Dombaubüro

Abb. 12: „Ein Entwurf Seiner Majestät des Kaisers und Königs Friedrich III. zum Neubau des Domes und Vollendung des kgl. Schlosses“, Plan I, Lageplan, Julius Carl Raschdorff, 1888, Registratur Dombaubüro

Abb. 12: „Ein Entwurf Seiner Majestät des Kaisers und Königs Friedrich III. zum Neubau des Domes und Vollendung des kgl. Schlosses“, Plan I, Lageplan, Julius Carl Raschdorff, 1888, Registratur Dombaubüro

Die zuständige Immediat-Dombau-Kommission lehnte den Entwurf ab. Auf Wunsch Kaiser Wilhelms II. überarbeitete Raschdorff den Entwurf auf der Grundlage vorliegender Änderungswünsche. Das daraufhin vorgelegte Projekt mit Kosten von 20 Millionen Mark wurde gleichfalls abgelehnt. Es sollte in den Abmessungen und in der Materialwahl so überarbeitet werden, dass der Neubau mit der vorgesehenen Bausumme von 10 Millionen Mark realisiert werden konnte. Am 17. November 1891 wurde Raschdorffs dritter Entwurf dann zur Ausführung bestimmt (Abb. 13 und 14).

Abb. 13: Berliner Dom, Westansicht, Julius Carl Raschdorff, 1891, Deutsche Staatsbilbliothek, Berlin

Abb. 13: Berliner Dom, Westansicht, Julius Carl Raschdorff, 1891, Deutsche Staatsbilbliothek, Berlin

1892 bewilligte das Preußische Abgeordnetenhaus die erste Rate eines einmaligen Zuschusses von 10 Millionen Mark zum Neubau des Domes in Berlin und einer Gruft für das Preußische Königshaus. Nach dem vollständigen Abbruch des noch immer stehenden friderizianischen Domes mit den Umbauten durch Schinkel und dem Abbruch der begonnenen Fundamente von 1848 wurde am 17. Juni 1894 der Grundstein für die neue Domkirche gelegt. Die Planung wies ebenfalls eine Dreigliederung des Baukörpers wie im ersten Entwurf von 1888 auf, erhielt jedoch nur eine dominante Überkuppelung über der mittig gelegenen Predigtkirche.

Die Lustgartenfassade wurde durch die kräftigeren Westtürme besonders aufgewertet. Nördlich der Predigtkirche entstand aber entgegen den langjährigen Planungen Stülers für einen Camposanto ein weiterer kleinerer Zentralbau, die Denkmalskirche, ein Pantheon für die Geschichte des Hauses Hohenzollern in denen die wertvollsten Denkmäler ihrer Geschichte aufgestellt werden konnten. Immer wieder gab es jedoch auch Vorschläge an dieser Stelle auch Personen außerhalb des Herrscherhauses für ihren Einsatz für die Nation zu ehren. Der neue Dom zu Berlin wurde am 27. Februar 1905 eingeweiht.

Entsprechend der Bestimmung, „auf Jahrhunderte hinaus die Beisetzung der sterblichen Überreste von Angehörigen des Preußischen Königshauses zu ermöglichen“, erstreckte sich unter der Denkmals- und Predigtkirche die Fürstengruft.

Abb. 14: Erdgeschossgrundriss Berliner Dom, Julius Carl Raschdorff, 1891, Registratur Dombaubüro

Abb. 14: Erdgeschossgrundriss Berliner Dom, Julius Carl Raschdorff, 1891, Registratur Dombaubüro

In die Denkmalskirche gelangte man durch ein Portal in der westlichen Vorhalle der Domkirche sowie über Türen unterhalb der Orgelempore. Der Hauptraum war mit einem reich gestalteten Tonnengewölbe mit ovalem Oberlicht überdeckt. In dem Kapellenkranz, der den Hauptraum umgibt, standen die Grabdenkmäler und die sogenannten Prunksärge. In den zur Abhaltung von Trauergottesdiensten und Gedächtnisfeierlichkeiten bestimmten Raum (Abb. 15) hätten außer den vorhandenen oben genannten kunst- und kulturgeschichtlich bedeutenden Grabdenkmälern und Prunksärgen auch neue Grabdenkmäler, Epitaphien, Totenschilde, Inschrifttafeln usw. Platz finden können.

Abb. 15: Innenraum Denkmalskirche vor 1944, Registratur Dombaubüro

Abb. 15: Innenraum Denkmalskirche vor 1944, Registratur Dombaubüro

Zur Darstellung der Kaiserwürde der Hohenzollern wurde das von dem Bildhauer Reinhold Begas geschaffene Marmordenkmal für Kaiser Friedrich III. aus dem Mausoleum neben der Friedenskirche in Potsdam Sanssouci in die Denkmalskirche überführt und für Potsdam eine Replik angefertigt – während der Herrscher selbst jedoch in Potsdam bestattet blieb.

Damit war nach langen Diskussionen und Auseinandersetzungen mit Denkschriften und Entwürfen die Geschichtsdarstellung einseitig auf das Haus Hohenzollern fokussiert, die Leistungen dieses Herrscherhauses bei der Herausbildung und dem Aufstieg des deutschen Nationalstaats gefeiert.

Ein großes Werk war vollbracht, eine Domkirche in einer Größe wie man sie sich lange gewünscht hatte, war realisiert.

Die besten Künstler, die aus den Akademien und Kunstschulen kamen und sich in der Nachfolge der großen Meister der Kunstgeschichte vor allem von Renaissance und Barock sahen, hatten an dem Bau mitgewirkt und dabei ihr Bestes gegeben.

Der Dom traf jedoch in dieser Form auf eine veränderte Wirklichkeit. Deutschland und vor allem auch Brandenburg-Preußen waren stark geworden. Eine Welle der Industrialisierung in der inzwischen liberaler gewordenen Monarchie hatte es reich gemacht, allerdings mit gravierenden sozialen Folgen.

Die mit der Industrie reich gewordenen Gesellschaftsschichten drängten auf Teilhabe an der Macht. Der Reichstag war gebaut, in dem die Forderungen artikuliert wurden. Die Sozialdemokratie forderte Rechte für die Arbeiterschaft.

Ein neuer Naturalismus in der Kunst dokumentierte die ungeschminkte Wirklichkeit. Kunst und Kultur demokratisierten sich als erste in dieser Zeit, lösten sich aus dem Dienstverhältnis zur Herrschaft. Die Künstler befreiten sich vom Akademismus, schlossen sich den Kunstströmungen der europäischen Moderne an. So war der Dom schon in seiner Entstehungszeit der inzwischen progressiver denkenden Öffentlichkeit fremd geworden.

Die Kritik an der Kaiserzeit wurde auch von den Nationalsozialisten übernommen. Das führte bei den Planungen für eine neue Hauptstadt Germania in Berlin zu Entwürfen, in denen der Dom purifiziert, von seinen Bildwerken weitgehend befreit und somit dem Stil der NS-Bauten angeglichen werden sollte. Zu deren Umsetzung kam es jedoch nicht. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Berliner Dom bei Luftangriffen schwer beschädigt (Abb. 16).

Abb. 16: Nordostansicht Berliner Dom um 1947, Registratur Dombaubüro

Abb. 16: Nordostansicht Berliner Dom um 1947, Registratur Dombaubüro

In die Instandsetzung und den Wiederaufbau von Kirchen unmittelbar in der Nachkriegszeit wurde der Dom nicht einbezogen. Zu unklar war, wie man sich zu dem kritisierten Bau verhalten sollte und ob er überhaupt eine Chance hatte wiederhergestellt zu werden. Die dafür notwendigen Mittel standen ohnehin nicht zur Verfügung.

Der Wiederaufbau vieler Kirchen war oftmals mit einer Rücknahme von gründer- und kaiserzeitlichen Hinzufügungen verbunden. Die Instandsetzungen waren auf eine Rückbesinnung auf das Ursprüngliche, eine Vereinfachung orientiert, die Gewinnung einer neuen Innerlichkeit als Zeichen für eine Wiedergutmachung nach den Irrtümern der jüngsten Vergangenheit. Da passte der Dom, der in seiner Gänze aus dieser Epoche stammte, nicht hinein. An einen Wiederaufbau des Doms war in der DDR lange kaum zu denken. Die Architektur des Bauwerks wurde überwiegend kritisch gesehen. Der ungeliebte Dombau mit seiner kleinen Gemeinde geriet in Vergessenheit.

Als ein Wiederaufbau dann in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts durch eine Finanzierung der Bundesrepublik in einer Periode der Entspannungspolitik zwischen beiden deutschen Staaten möglich wurde, war seine Geschichte wenig bekannt und schon gar nicht aufgearbeitet. Eine differenzierte Bewertung des Gebäudes, seiner Architektur und Ausstattung fand nicht statt. Die kritische Sicht auf das Wirken der Hohenzollern vor allem im 20. Jahrhundert dominierte die Wahrnehmung des Baus. Seine historistische Architektur war zum Synonym für einen abzulehnenden Eklektizismus und eine reaktionäre Herrschaftspose geworden. Der Dom sollte daher beim Wiederaufbau auch wieder umgestaltet, vereinfacht, neuen funktionellen Erfordernissen maximal angepasst werden. Zudem waren die finanziellen Mittel begrenzt. So wurde die Denkmalskirche gleich zu Beginn des Wiederaufbaus 1975, obwohl sie mit dem Dom unter Denkmalschutz stand, auf Drängen der Regierung der DDR gesprengt und abgetragen (Abb. 17).

Abb. 17: Sprengung des Daches der Denkmalskirche 1975, Registratur Dombaubüro (Foto: Rüdiger Hoth)

Abb. 17: Sprengung des Daches der Denkmalskirche 1975, Registratur Dombaubüro (Foto: Rüdiger Hoth)

Die Zeiten hatten sich jedoch geändert. Kunst und Kultur des Historismus wurden inzwischen entspannter betrachtet und als eine eigene durchaus schöpferische Epoche in der Kunstgeschichte wahrgenommen und auch anerkannt.

Für die tatsächliche Wiederherstellung von Predigtkirche, Tauf- und Traukirche, dem Kaiserlichen Treppenhaus und der Gruftanlage konnte dann doch eine den Denkmalwert weitgehend respektierende Restaurierung, d.h. eine Erhaltung des noch vorhandenen Bestands, durchgesetzt werden.

Die Restaurierung der lange Zeit ungeliebten reichen Ausstattung innen und außen wurde nun von der Gemeinde und der Öffentlichkeit begrüßt und mit zunehmendem Interesse verfolgt. Der restaurierte Innenraum wurde zu einer Entdeckung. Entstanden ist, in vielen Bereichen nur durch Reinigung, ein überraschend festlicher Raum, der Identifikation, aber auch Widerspruch zulässt.

Der Dom ist heute ein geschätztes Baudenkmal und der Ort einer aktiven Kirche. Wiederaufbau und Erhaltung des Gebäudes bedeuten kein „zurück zur Kaiserzeit“, sondern sind eine Aufforderung, in Kenntnis und Bewahrung des Überlieferten die Kirche von heute zu leben und für die Zukunft zu gestalten. Das findet im Dom nun statt und wird in der Stadt über die evangelische Kirche hinaus als Bereicherung wahrgenommen. Der Dom ist ein bedeutendes Denkmal der Religions- und Kirchengeschichte, seine Gestalt ein hervorragendes Kunstwerk seiner Zeit. Der Dom ist ein Teil der Berliner und darüber hinaus auch gesamtdeutschen Geschichte, auf den wir nicht mehr verzichten wollen, für dessen Erhaltung wir dankbar sind und an dessen Bewahrung wir mitwirken wollen.

Abb. 18: Nord-Ostansicht des Berliner Doms 2010, Registratur Berliner Dom (Foto: Bednorz Image)

Abb. 18: Nord-Ostansicht des Berliner Doms 2010, Registratur Berliner Dom (Foto: Bednorz Image)

Und auch der kleine, aber so aussagekräftige Zentralbau auf seiner Nordseite, die abgerissene Denkmalskirche, bleibt ein unveräußerlicher Bestandteil des Berliner Doms, seiner Geschichte und Architektur. Daher tritt der Dombauverein trotz des Verlustes der originalen Substanz für eine Rekonstruktion dieses Bauteils ein. Originale Fassadenteile, Fotos, Modelle ermöglichen analog zum Wiederaufbau der Schlossfassade mit dem Humboldt-Forum eine solche Wiederherstellung.

Durch den Wiederaufbau der Denkmalskirche können Gedanken und Intentionen, die zu dem Dombau und dem Pantheon an seiner Nordseite geführt haben, dem Vergessen entrissen und mit den Erfahrungen aus weiteren hundert Jahren deutscher Geschichte neu diskutiert werden. Die aus einer solchen Diskussion gewonnenen Einsichten und Erkenntnisse können dann auch einen Niederschlag in der Wiederherstellung finden. Ein solcher Wiederaufbau entspräche der im In- und Ausland so sehr geschätzten Berliner Tradition, für die Beantwortung von Fragen der Gegenwart die Geschichte zu aktivieren, relevanten historischen Ereignissen und Personen auf dem Weg zur heutigen Situation Stimme und ein angemessenes Gewicht zu geben. Damit könnten auch bedeutende Werke der Berliner Bildhauerkunst wieder einen adäquaten Ausstellungsort in der Öffentlichkeit bekommen.

Dombaumeister Julius Carl Raschdorff

Julius Carl Raschdorff wurde am 2. Juli 1823 in einer katholischen Familie im oberschlesischen Pleß (heute Pszczyna) geboren. Nach dem Abitur entschied er sich zunächst für eine Ausbildung zum Feldmesser in Oppeln, begann dann 1844 ein Studium an der Bauakademie Berlin, das er 1853 mit dem Titel „Baumeister“ abschloss. Ein Jahr später erhielt er den Ruf als Stadtbaumeister nach Köln.

In den folgenden zwei Jahrzehnten widmete er sich der Pflege der Kölner Kirchen, wie St. Gereon, St. Maria Lyskirchen und St. Andreas, die er im Stile der Zeit romanisierte. Raschdorff verantwortete auch Umbau und Erweiterung des mittelalterlichen Gürzenich sowie des Rathauses, die zum Teil mit bedeutenden Eingriffen in die historische Bausubstanz verbunden waren. In der Folge wandte er sich mehr und mehr der Neorenaissance zu.

Zu den Neubauten dieser Zeit gehört das Apostelgymnasium, das 1860 eingeweiht wurde, das unter der Leitung von Josef Felten 1861 vollendete Wallraf-Richartz-Museum und das 1872 fertiggestellte Stadttheater.

In einer kurzen Phase als freier Architekt entwarf er das „Ständehaus“ (Landtagsgebäude) in Düsseldorf. Neben seinem Hauptwerk, dem Neubau des Berliner Doms 1894–1905, schuf Raschdorff mit der Neuen Evangelischen Kirche in Langenberg/Rheinld. (1877), der englischen Kirche im Monbijoupark in Berlin (1884/85) sowie dem Mausoleum für Kaiser Friedrich III. neben der Friedenskirche Potsdam (1888–1890) weitere Sakralbauten.

1878 ging Raschdorff nach Berlin, wo er zum Professor für Baukunst an der Technischen Hochschule Charlottenburg ernannt worden war. Gemeinsam mit Richard Lucae und Friedrich Hitzig errichtete er zwischen 1878 und 1884 den Neubau dieser Einrichtung, wo auf seine Initiative hin das Architekturmuseum als bedeutende umfangreiche Sammlung von Bauzeichnungen und Modellen entstand. Als bei den Studenten äußerst beliebter Professor unterrichtete Raschdorff mehr als dreißig Jahre wöchentlich 12 Stunden „Baukunst der Renaissance. Entwurf von Hochbauten“. Er verstand den von ihm gepflegten Historismus als einen internationalen Stil, der sich gegen die Enge der Berliner Schule richtete.

Seit 1880 hat Raschdorff an Planungen für einen Dombau am Berliner Lustgarten gearbeitet. Aus dieser Entwurfsphase stammt die berühmte Ostansicht des damals noch von drei Kuppeln bekrönten Doms und dem mit einem hohen Turm versehenen und über eine Brücke angebundenen Schlosses. Eine Kopie dieser Ostansicht hängt heute im Dom – Museum, die erhaltenen Originalzeichnungen aus der Erbauungszeit sind Bestandteil des Domarchivs. Nach zahlreichen überarbeitungen legte Raschdorff 1891 den Entwurf, der schließlich zur Ausführung kam, vor.

Kaiser Wilhelm II., der das Dombau – Projekt von seinem Vater Friedrich III. „geerbt“ hatte, gab die entscheidenden Impulse zur Umsetzung.

Am 17. Juni 1894 kam es zur Grundsteinlegung. Nach elf Jahren Bauzeit wurde der Berliner Dom am 17. Februar 1905, dem Hochzeitstag des Kaiserpaares, feierlich eingeweiht.

Julius Carl Raschdorff starb am 13. August 1914, sein Grab befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof II in der Liesenstraße.

Text:
Charlotte Hopf, Dombaumeisterin i.R.
Yves Pillep, Domarchivar

Bauzustands­­ermittlung 1964

Der Berliner Dom wurde im Zweiten Weltkrieg bei Luftangriffen und Straßenkämpfen stark beschädigt. An eine Reparatur der Schäden oder gar einen vollständigen Wiederaufbau war zunächst nicht zu denken. Erst 1964 gab das Domkirchenkollegium eine bauliche Bestandsaufnahme des Doms in Auftrag, bei Prof. Dr. Heinrich Rettig von der TU Dresden. Die Erfassung der Schäden vor Ort oblag Dipl.-Ing. Peter Prohl, Dresden. Für das Gutachten und seine Empfehlungen zeichnete Dipl.-Ing. Wolfgang Preiß, Sachverständiger für konstruktive Sicherung von Baudenkmälern, Dresden.

Auf einer Tagung der Evangelischen Forschungsakademie im Juni 2019 beschrieb Peter Prohl die Bauzustandsermittlung des Doms 1964 wie folgt:

„Eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung über einen Wiederaufbau des Domes bildet die Erfassung des Bauzustandes. Unter Leitung von Wolfgang Preiß habe ich vom 1. April 1964 bis 30. September 1964 auf der Grundlage der erhaltenen, bestätigten Revisionszeichnungen des Jahres 1909 nach eingehender örtlicher Überprüfung die Bestandszeichnungen des Bauzustandes 1964 angefertigt. Sie kartieren die gegenwärtige Nutzung, Art und Zustand von Fußböden, Wänden und Decken aller Räume des Domes, weiterhin die Risse, Fehlstellen, Nässeschäden etc.. Sie erfassen selbstverständlich auch die Verluste, Beeinträchtigungen seiner Schauseiten, Dächer und der Kuppel.

„Das darauf aufbauende Gutachten von Wolfgang Preiß sagt als Wichtigstes: ‚Trotz der genannten Schäden ist die umfangreiche Bausubstanz des Domes noch so gut erhalten, dass die Instandsetzung einschließlich der Verbesserung des Nutzwertes mit vertretbarem Aufwand möglich ist.‘ Das Baugrundgutachten des VEB Baugrund Berlin stellt fest: ‚Vermutlich sind Setzungserscheinungen mit entsprechenden Rissebildungen nicht mehr zu erwarten.‘ Mit beiden Gutachten kann auch Gerüchten über eine Baufälligkeit des Berliner Domes sachlich entgegnet werden.“

In einem Gesprächsvortrag am 4. März 2020 hat Prof. Prohl die damals erstellten Bestandszeichnungen auf insgesamt [15] Blättern den Mitgliedern und Freunden des Berliner Dombau-Vereins vorgestellt. Zur Einführung diente eine Präsentation von Fotografien des Doms um 1964 sowie Ausschnitten aus dem Gutachten.

Die Fassadenrestaurierung der großen Ecktürme des Berliner Doms

Seit 2017 verfügt der Berliner Dom über einen der fortschrittlichsten Denkmalpflegepläne der Berliner Denkmallandschaft. Der umfangreiche Plan wurde in den Jahren 2009 – 2017 durch das Büro Hübner + Oehmig angelegt und umfasst sowohl die Außen- als auch die Innenbereiche des Doms. Er dokumentiert systematisch die bauzeitliche Originalsubstanz des gesamten Gebäudes und die eingetretenen Veränderungen ab 1905 bis 2017 in der sogenannten Bauphasenkartierung, darüber hinaus gibt er konkrete Handlungsanweisungen für die zukünftige Instandhaltung. Für den Fassadenbereich wurde der Plan bereits in den Jahren 2009 – 2010 im Vorfeld der geplanten Instandsetzungsmaßnahmen an den Fassaden des Berliner Doms aufgestellt und dient seitdem bei sämtlichen Maßnahmen als Grundlage und Leitfaden.

Text:
Sonja Tubbesing, Dombaumeisterin, mit
Damaris Gorrissen, Baudenkmalpflegerin

Abb. 1 u. 2: Bauphasenkartierung Turm C (links), Schadenskartierung Turm C (rechts), Hübner + Oehmig • Architektur und Denkmalpflege

Abb. 1 u. 2: Bauphasenkartierung Turm C (links), Schadenskartierung Turm C (rechts) (Bilder: Hübner + Oehmig • Architektur und Denkmalpflege)

Die sorgfältige Analyse und Dokumentation der Fassaden und die daraus resultierenden detaillierten Bauzeiten- und Schadenskartierungen am Beispiel des sogenannten „Turm C“, dem nördlich gelegenen Glockenturm auf der Lustgartenseite, bildete den Startpunkt der Restaurierungsarbeiten. Im Sommer 2017 konnte die Firma Nüthen Restaurierungen als versierter Fachpartner für die Instandsetzung der Fassaden oberhalb des Hauptkranzgesimses am Turm C gebunden werden.

Im Zuge der Dokumentations- und Analysearbeiten war im Rahmen von Hubsteigerbefahrungen deutlich geworden, dass sich die Sandsteinoberflächen des 1905 fertiggestellten und ab 1975 wiederaufgebauten Doms in einem sanierungsbedürftigen Zustand befanden. Aus der Luftverschmutzung resultierende Auflagen aus Ruß, Gummiabrieb und Staub hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten auf den Natursteinflächen, Gliederungselementen und Fassadenplastiken abgelagert. Die in der Luft enthaltenen Schadstoffe hatten in Verbindung mit Regenwasser Säuren gebildet und die Steinstruktur stark angegriffen. Als direkte Folge konnten diese tief in den Stein eindringen und dort enthaltene Molekularverbindungen lösen, das Gefüge lockern und beim Wiederverdunsten an der Oberfläche Ausblühungen und Verkrustungen verursachen. Solche Verkrustungen treten als graue bis schwarze Schichten auf Teilen der Gesteinsoberfläche des Doms deutlich in Erscheinung. Diese gestörte Oberfläche verhindert die Zirkulation von Feuchtigkeit, der Stein verliert seine Diffusionsfähigkeit.

Abb. 3 u 4: Absandende (links) und abschalende (rechts) Oberflächen

Abb. 3 u 4: Absandende (links) und abschalende (rechts) Oberflächen (Fotos: Sonja Tubbesing)

Ein weiteres typisches Schadensbild war und ist die in großen Teilen verloren gegangene Verfugung, so dass anfallendes Wasser zwischen und hinter die Sandsteinblöcke ziehen konnte und somit eine Durchfeuchtung ganzer Fassadenabschnitte erfolgte. Diese Kombination aus stellenweiser Durchfeuchtung zu geschlossener Fassadenoberfläche führt zu einem weitreichenden Schadensbild. Ziel der geplanten Instandhaltungsmaßnahmen war und ist weiterhin eine Wiederherstellung der Fassade unter technischen und ästhetischen Gesichtspunkten unter dem größtmöglichen Erhalt der bauzeitlichen Substanz und der Berücksichtigung der Fortführung des denkmalpflegerischen Konzeptes.

Abb. 5: Defekte Fugen und Oberflächen

Abb. 5: Defekte Fugen und Oberflächen (Foto: Sonja Tubbesing)

Die bereits erfolgreich abgeschlossenen Instandhaltungs- und Konservierungsarbeiten in den Jahren 2017–2020 an den beiden zum Lustgarten hin gelegenen Türmen (B und C) des Doms erfolgten in den hier beschriebenen Arbeitsschritten. Den ersten Abschnitt stellte die Entfernung der aufliegenden Verschmutzungen und Krusten dar. Hierzu kam die schonende Niederdruckmikrotrockenstrahlreinigung zur Anwendung. Durch den Einsatz dieses Verfahrens konnte ein Substanzverlust an der Steinoberfläche weitgehend verhindert und die aufliegenden Verkrustungen, wie z.B. Gips, biogener Bewuchs, Verschmutzungen und Staub abgenommen werden, ohne die würdevolle Patina zu entfernen, die für den Alterswert des Denkmals so entscheidend ist. Anschließend erfolgte die Festigung der nicht mehr intakten und sandenden Natursteinoberflächen. Dies ermöglichte die Konsolidierung stark entfestigter Zonen zur Verhinderung starker Form- und Substanzverluste und die dauerhafte Konsolidierung dieser Bereiche sowie die Wiederherstellung eines ausgeglichenen Festigkeitsprofils. Um eine bauphysikalisch funktionierende Steinoberfläche wiederherzustellen, ist ein konservatorischer Oberflächenverschluss nötig. Das Schließen von kleinen Rissen, Rinnen, Löchern und Kavernen mit bis auf „null“ auslaufenden verarbeitbaren Steinergänzungsmassen im Bösch- und Schlämmverfahren bildete dabei einen wichtigen Bestandteil der Gesamtmaßnahme.

An vielen Bauteilen war die Verfugung herausgebrochen, teilweise vollständig oder an den Fugenflanken abgerissen und schadhaft.  Um den jeweils angrenzenden Stein und die Fugenflanken zu schützen, wurden alle defekten Fugen teils mechanisch, teils manuell entfernt und anschließend mit materialtechnisch und farblich angepasstem Fugenmörtel wiederhergestellt. Verfugungen, die unter technischen Aspekten noch funktionsfähig waren und lediglich feine Haarrisse in der Fuge selber oder an den Fugenflanken aufwiesen, konnten gehalten und mit einem geeigneten schlämmfähigen Mörtel wieder geschlossen werden. Die thermisch stark beanspruchten Anschlussfugen zwischen Naturstein und Kupferblech waren größtenteils in zementhaltigem Mörtel ausgeführt worden, auch hier wiesen die Fugen das schon beschriebene Schadensbild auf. Um die Materialspannungen künftig besser aufnehmen zu können, verständigte sich das Dombaubüro mit dem Landesdenkmalamt auf eine Ausführung in Bleiwolle, um somit einen wiederkehrenden Schaden zu verhindern.

Nicht mehr intakte Altergänzungen und Vierungen aus der Wiederaufbauphase zwischen 1975 und 1984 konnten, wenn möglich, und wenn auch aus technischer Sicht vertretbar, in der Fassade belassen und konservatorisch überarbeitet werden. Schien der Erhalt einer Altergänzung nicht mehr ratsam, fand eine behutsame Ausarbeitung statt, nachfolgend der Ersatz durch Neuergänzung, diese in Farbe und Struktur der Umgebung angepasst. An Bereichen mit größeren und hängenden Fehlstellen, bei denen die Gefahr eines Abscherens bestand, erfolgte eine Sicherung durch die Armierung mit Edelstahl-Gewindestangen.

Abb. 6-8: Zustand 1905, 2016 und 2019 (Stabspitze noch in Werkstatt). Foto 2016: Maren Glockner

Abb. 6-8: Zustand 1905, 2016 und 2019, Stabspitze noch in Werkstatt. (Fotos: Domarchiv, Maren Glockner, Sonja Tubbesing)

Die dringend notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen konnten durch großzügige finanzielle Zuwendungen der Bevölkerung an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, durch die unentgeltliche Reinigungsarbeit der Firma Kärcher am Turm B und durch die Übernahme der Konservierungsarbeiten zweier Apostel durch den Berliner Dombauverein seit 2019 durchgeführt werden und dauern bis heute an.

Mit dem Restaurierungs- und Konservierungskonzept der letzten drei Jahre verfolgte das Dombaubüro des Berliner Doms das Ziel, mittels Sicherung der Oberflächen durch die beschriebenen Reinigungsmaßnamen, der Festigung der Oberflächen, der Überarbeitung mit Restaurier- und Fugenmörtel in verschiedenen, den jeweiligen Fassadenabschnitten angepassten Farben und der Anpassung der Altergänzungen eine optische Beruhigung der Gesamterscheinung zu erreichen. Die nicht geschlossenen Kriegsbeschädigungen werden, wenn unter der Berücksichtigung des Substanzerhalts möglich, als Spuren belassen. Dies bedeutet für uns die Fortführung des Denkmalpflegekonzepts der Wiederaufbauphase, nämlich die Wunden nicht auffällig zu zeigen, sondern ein Zusammenziehen des Gesamtbildes zu erreichen, um so ein soweit wie möglich intaktes Fassadenbild zu erreichen. Dabei verlieren wir nicht aus den Augen, ein patiniertes Erscheinungsbild beizubehalten, welches den Alterswert des Hauses bewahrt.